Von Wunde zu Würde – Der Weg durch die Narben des Menschseins | Ein Lauschen in die Tiefe kollektiver Prägung und lebendiger Integration
Es gibt Prozesse in uns, die nicht durch äußere Ereignisse ausgelöst werden, sondern durch innere Reifung sichtbar werden. Die Narben, die wir als Mensch tragen – individuell und kollektiv –, sind oft wie Stempel oder Boxen, die auf uns liegen und wirken, ohne dass wir sie benennen könnten. Bis wir still werden, lauschen, und die Bilder aus der Tiefe aufsteigen lassen.

In den letzten Jahren ist in mir, JuLIA, ein feines, aber kraftvolles Bild gereift:
Zwei archetypische Narbenlinien – die Patriarchatsnarbe und die Matriarchatsnarbe.
Sie wirken als Prägungen in unseren Gefühlen, unseren Beziehungen, in unserem Körperwissen und in unserem Bewusstsein. Und sie rufen – nicht nur nach Heilung, sondern nach Anerkennung, nach Integration ins ganze MenschSEIN
🗡️ Die Patriarchatsnarbe
…hinterlässt eine Spur der Entfremdung von Verbindung.
Nicht aus böser Absicht, sondern aus jahrtausendealter Schutzstrategie: Gefühle wurden als Schwäche markiert, Nähe als Gefahr erlebt. So entstanden Kontrollsysteme, Dominanzmechanismen und emotionale Abspaltungen.
Die Wunde darin:
Ich darf nicht fühlen. Ich muss stark, unabhängig und überlegen sein.
Verbindung ist gefährlich – entweder verliere ich Kontrolle oder werde kontroliert.
Die Narbe:
Man funktioniert. Gefühle werden durch Struktur ersetzt. Beziehung wird zur Aufgabe, nicht zum Raum des lebendigen Seins.
Die Integration:
Wieder fühlen lernen – ohne sich zu verlieren. Verantwortung übernehmen – ohne zu vereinnahmen.
Liebe halten – ohne sie zu kontrollieren.
🌫️ Die Matriarchatsnarbe
…zeigt sich als blinder Fleck inmitten realer Verbindung.
Es ist, als sei man eingebunden – in Familie, Natur, Gemeinschaft – und spüre es doch nicht.
Die eigene Stimme ist überlagert von Mustern der Anpassung, von der Angst, zu viel zu sein oder falsch zu wirken.
Die Wunde darin:
Ich bin nur sicher, wenn ich dazugehöre.
Ich verliere mich, wenn ich mich selbst klar benenne.
Ich bin verbunden – aber innerlich allein.
Die Narbe:
Taubheit gegenüber dem eigenen Ich. Man liebt, aber erkennt sich selbst nicht. Beziehung geschieht, aber ohne Präsenz.
Die Integration:
Sich selbst differenziert wahrnehmen – mitten in Beziehung.
Nein sagen, ohne Schuld.
Klar sein – und zugleich mitfühlend.
🌀 Wunde – Narbe – Integration
Wir alle tragen beides. Die Wunde brennt – die Narbe betäubt.
Aber: beides sind Wege.
Beides sind Tore zu einem bewussteren, mitfühlenderen Leben – wenn wir hinschauen, nicht als Anklage, sondern als Einladung.
Phase | Bewegung | Einladung |
---|---|---|
Wunde | Schmerz, Reaktion, Schutz | Präsenz, Mitgefühl, Kontakt |
Narbe | Taubheit, Frust, Gewöhnung, Funktion | Bewusstwerdung, Spiegelung |
Integration | MenschSEIN mit offenem Herzen, Verstand und Wille | Differenzierung, Achtung, Würde, Liebe |
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🕊️ Der Yogaweg – Die Bhāvanas als Antwort
Als Yogini lese ich diesen inneren Prozess auch im Licht des Yoga Sūtra von Patañjali.
Dort heißt es in Kapitel 1, Vers 33:
"maitrī-karuṇā-muditopekṣāṇāṁ sukha-duḥkha-puṇyāpuṇya-viṣayāṇāṁ bhāvanātaś citta-prasādanam"
– Durch das Pflegen (Bhāvana) von Freundlichkeit, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut wird der Geist klar und ruhig.
In diesem einen Vers liegt der Weg, den wir hier beschreiben.
Die Bhāvanas – maitrī, karuṇā, muditā, upekṣā – sind nicht nur ethische Ideale. Sie sind Bewusstseinskräfte, die in der Integration der Narben wirken:
Maitrī – Freundlichkeit: Die erste zarte Berührung, die die Wunde nicht weiter aufreißt.
Karuṇā – Mitgefühl: Die Kraft, das Leid anderer und das eigene ohne Urteil zu halten.
Muditā – Mitfreude: Die Fähigkeit, sich nicht zu vergleichen, sondern Verbundenheit zu feiern.
Upekṣā – Gleichmut: Die innere Ruhe, die nicht abstumpft, sondern tief trägt.
So wird aus Trauma Bewusstseinsweg.
Aus der Narbe wird Erinnerung – nicht mehr Schmerz.
Aus Schmerz wird Kraft.
Und aus der Kraft wird Liebe.
Caring for the People | Caring for the Land | Caring for the Spirit
Dies ist der Weg zurück in die Würde des Menschseins – mit Narben, mit Mitgefühl, mit offenem Herzen.
In dir | In mir | In uns | in unserer Welt
Mit Liebe,
JuLIA | Weiser Mond






